Man sieht es an den Schuhen und an der Kleidung, die Frauen tragen hohe Absätze und spitze Stiefel, selbst die Männer sind teilweise chic. Ganz anders als in Bariloche, wo frau mit Absätzen gar nicht die bergigen Straßen hoch käme und die Klamotten daher viel funktioneller sind, selbst abends im Restaurant. Wir befinden uns in
Córdoba, nach 1600 Kilometern durch die Provinzen
Neuquén,
Río Negro und
La Pampa die erste Station (
primera parada) auf unserer
Ferientour, die uns während der dreiwöchigen Winterferien (!) durch den Mittelwesten von Argentinien und nach Chile führen wird (grobe Route: Bariloche - Córdoba - Mendoza - Santiago de Chile - Valparaiso (Chile) - Osorno (Chile) - Bariloche, rund 4000 Kilometer). Hier in Córdoba geht Mann und Frau jedenfalls sehr modebewußt aus, genug Boutiquen gibt es im Zentrum dafür auf jeden Fall. Die sonnige und recht schöne Plaza San Martín wird von einigen Einkaufsstraßen im Quadrat umrahmt. Die Stadt ist ansonsten aber lange nicht so beeindruckend, wie es der Reiseführer verspricht. Klar sind hier viele
Kolonialbauten zu sehen, sie ist schließlich eine der ältesten Städte Artgentiniens (1573 "offiziell" gegründet, es gab aber vorher schon eine Indianersiedlung, siehe
Geschichte der Stadt), sie besitzt die erste
Universität (1613) des Landes, aber leider stehen die tollen kolonialen Gebäude fast alle im Schatten der hässlichen Hochhäuser, die zwischendrin gebaut worden sind. Es sieht - ähnlich wie in Buenos Aires - ein bisschen so wie auf diesen großen, grauen Plastikplatten aus, die wir früher mit Legosteinen in allen Höhen und Farben vollgebaut haben.
Nun ja, wir sind ja nicht nur zum Sightseeing hierher gekommen. Wir haben die Woche genutzt, um unser Spanisch aufzubessern und haben die ganze Woche durch die Schulbank gedrückt. Und das in den Ferien! Ganz schön bekloppt, wird sicher jemand sagen, aber ich sage nur, das war bitter nötig, denn bisher kommen wir kaum voran mit der Sprache. Das liegt natürlich daran, das wir schon ein bisschen aus dem günstigen Alter zum Sprachen lernen heraus sind, aber vor allem liegt es daran, dass wir in Bariloche einfach zu viel Deutsch sprechen, mit den Kollegen in der Schule und mit den vielen deutsch-stämmigen Argentiniern außerhalb der Schule... Birgit und ich hatten schon mal probiert, miteinander nur noch
castellano zu sprechen,
aber da war der Tag doch ein wenig einsam und still. Die Schule hat jedenfalls Spaß gemacht! Und es hat uns aufgezeigt, wie viel es noch zu lernen gibt in dieser Sprache, von der es so gerne heißt: "Ach, wenn du Latein hattest, ist Spanisch eigentlich total einfach." Von wegen.
Ein anderer Umstand stellt uns weit mehr zufrieden: Die
Temperaturen hier in Córdoba sind wie erhofft für den Winter sehr angenehm, pendeln im Moment zwischen 12 und 18 Grad Celsius. Letzte Woche, vor unserer Ankunft, soll es aber auch hier mal kurz geschneit haben, zum ersten Mal nach 70 Jahren! Wie übrigens auch in Buenos Aires nach 90 Jahren zum ersten Mal wieder, aber das war ja schon in den Nachrichten in Deutschland. Am Montagmorgen musste ich mir dann auch mal schnell einen Pulli kaufen, da es doch noch recht kühl war, was allerdings auch an dem reichlichen Schatten lag, den die Hochhäuser spenden. Ein günstiger Pulli für umgerechnet 13 Euro war aber schnell gefunden. Überhaupt wundert mich immer wieder, was es hier alles zu kaufen gibt, nicht nur hier in Córdoba, sondern auch in Buenos Aires (claro!), aber auch in Bariloche und den (paar) anderen Städten, in denen wir bisher waren. Man sieht es besonders an den zahllosen Handy-, Klamotten- und Schuhgeschäften, die mir am meisten auffallen. (Deren Zahl könnte wirklich noch höher sein als die der Geländewagen in Bariloche.) Es gibt eigentlich nichts, was es in Argentinien nicht zu kaufen gäbe, die Frage ist nur, wer kauft das alles? Denn nicht alles ist so günstig wie ein Pulli, und selbst der Preis von 54 Peso ist kein Sonderangebot. Die lezte
Wirtschaftskrise, während der unter anderem Privatkonten eingefroren und nach der Entkoppelung des Peso vom Dollar nur noch ein Drittel der Gelder wieder aufgetaut wurden, liegt erst sechs Jahre zurück. Der Peso war plötzlich nur noch ein Drittel wert, doch die Hypotheken blieben bestehen. Mancher verlor dadurch den Gegenwert eines ganzen Hauses. Außerdem leben 34 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze - "angeblich", muss man angesichts des Marktangebots fast sagen, auch wenn ich das natürlich nicht wirklich bezweifle, ich brauche nur an die vielen Holzhütten in den Außenbezirken Bariloches, den Gürtel rund um Córdoba oder die Papphütten unter den Stadtautobahnen von Buenos Aires zu denken und schon passt es mit den 34 Prozent wieder. Aber auch die anderen 66 Prozent leben natürlich nicht in Reichtum, das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen liegt mit 900 Peso (300 Euro) nur knapp über der Armutsgrenze, das durchschnittliche Haushaltseinkommen liegt bei 1600 Peso (400 Euro), eine gute 3-Zimmer-Wohnung ohne großen Luxus kostet in Buenos Aires zwischen 1000 und 3000 US-Dollar monatlich. US-Dollar! Wer soll das alles also kaufen? Die
argentinische Wirtschaft gibt mir noch so einige Rätsel auf, aber davon vielleicht später mehr, jetzt sind erstmal wieder Ferien angesagt. Am Sonntag geht es weiter, wohin wissen wir aber noch nicht so genau, das Land ist einfach so groß und vielfältig, dass wir uns kaum festlegen wollen, nur die grobe Richtung steht fest: West-Nordwest.