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Deshalb ist es kein Wunder, dass man für die Fahrt von 600 km ungefähr 13 Stunden braucht, denn die halbe Zeit steht man an der Grenze.
Auf unserer Reise konnten wir wieder einmal nur staunen, wie groß der Mentalitätsunterschied zwischen Argentiniern und ihren chilenischen Nachbarn tatsächlich ist. Gehört und gelesen haben wir so einiges über die seit Ewigkeiten herrschende Feindschaft zwischen den Ländern. Ähnlich wie die nicht ganz ernst zu nehmenden Floskeln der Deutschen über die Niederländer oder die berühmte Städtefeindschaft zwischen Köln und Düsseldorf hielten wir die gegenseitigen Behauptungen über Chilenen und Argentinier für harmlos und abseits jeglicher Realität. Doch während unseres Aufenthalts in Südamerika stießen wir zu unserem Erstaunen hier und da auf hinreichende Hinweise, dass dieser Dorfklatsch durchaus seinen Anspruch auf Wahrheit verteidigen kann.
Die Argentinier seien arogant, faul, überheblich und würden den lieben langen Tag kein Werk geschafft bekommen. Während die Argentinier sich zum Abendessen zu Tisch setzten, schlafen die Chilenen schon tief und fest, um am nächsten Morgen pünktlich und tatkräftig ihr Tagwerk zu beginnen. Zu dieser Zeit dann dreht der Argentinier sich noch einmal genüsslich im Bett um, um dann später irgendwann bei der Arbeit zu erscheinen. Wenn der Argentinier dann einmal dort ist, bekommt er sowieso nichts Vernünftiges auf die Reihe. Daher wird zunächst mal Mate getrunken und über alles Mögliche geredet. Wenn es dann ans Arbeiten geht, so würde dies mit einer Langsamkeit vor sich gehen, die an das Leben eines Faultieres erinnert. Dennoch, die Argentinier sind stolz auf ihre Nation, ihre ausgesprochene Feierlaune und schütteln fast schon mitleidig den Kopf, wenn sie an das Volk jenseits der Anden denken. Die Chilenen seien humorlos und Lebenslust für sie ein Fremdwort. Ausgelassen feiern, tanzen und sich allein des Daseins erfreuen scheine für sie eine Sünde. So erinnert wohl auch ein gern und oft genutzter Spruch für Poesiealben an diesen Kontrast:
"Sei wie das Veilchen im Moose, sittsam bescheiden und rein. Nicht wie die stolze Rose, die stets bewundert will sein."
Wir wundern uns hier und da, wenn zum Beispiel die Argentinier in ihrem Urlaub an den schönsten Orten des Landes stets sich in den Fokus der Fotokamera setzten. Wie oft haben wir erlebt, wie vor wunderschöner Natur endlos lang posiert, ja sogar die Garderobe gewechselt, noch einmal gekämmt und geschminkt wurde.
Ein weiteres Indiz für das gesunde Selbstbewusstsein der Nation scheinen die in jeder Stadt und in jedem Dorf befindlichen Kriegsdenkmäler zu sein. Auch hier wird posiert, diesmal jedoch vor ungewollt hässlicher Kulisse. Hier die Nachbildung eines Kampfjets, dort eine Gedenktafel und etwas weiter ein paar Soldatenstatuen. Es scheint, als ob sie nach Ende des Falklandkrieges im Juni 1982 wie Pilze aus den Boden geschossen seien. Warum? Wahrscheinlich um dem Ego der Argentinier wieder auf die Sprünge zu helfen, hatten sie den Krieg ja schmählich verloren, und man sagt, dies sei nicht zuletzt auch auf militärische Selbstüberschätzung zurückzuführen. (Ein Gutes hatte der Krieg zumindest: Die seit 1976 grausam herrschende Militärjunta fand dadurch ihr jähes Ende und machte den Weg frei für Gerechtigkeit und Demokratie - oder so ähnlich...).
Dennoch bleibt das Selbstbewusstsein der Argentinier ungebrochen. Die Chilenen scheinen nicht ganz Unrecht zu haben. Fragten wir zum Beispiel einen Argentinier nach dem Weg, so gab es immer eine Antwort. Oft war die Beschreibung falsch, aber ein Argentinier würde sich wahrscheinlich eher die Zunge abbeißen als zugeben zu müssen, das er es nicht wisse - selbst, wenn es nur um die Frage nach dem Weg geht.
Will man eine Dienstleistung in Anspruch nehmen und spricht auf den Anrufbeantworter einer Schreinerei, beim Arzt oder der Autowerkstatt, so sollte man niemals mit einem Rückruf rechnen. Will man etwas erledigt haben oder in Auftrag geben, so muss man hartnäckig sein und immer wieder Präsenz zeigen. Von alleine kommt der Argentinier dem Kunde niemals entgegen. (Man könnte gemein behaupten, dass der Kunde ihn vom geselligen Mate Trinken abhalte, von daher halte er sich die Kunden stets auf Abstand). Als Kunde bleibte einem da nur Geduld und Ausdauer. Mit böser Miene oder Unzufriedenheit ist einem nicht geholfen.
So auch beim täglichen Einkauf im Supermarkt. Es scheint, als möge die Kassiererin jedes einzelne Produkt auf dem Förderband persönlich begrüßen, so langsam und behutsam geht sie mit Mehl, Nudeln und Schokolade um. Danach noch mit jedem Kunden ein Schwätzchen über Wetter, Kinder oder das gerade gekaufte Produkt ("Ist das wirklich so teuer? Unglaublich"). Dabei bringt sie nichts aus der Ruhe, nicht die lange Schlange, nicht die zu wechselnde Kassenpapierrolle, und auf "Ich-habe-es-eilig"-Bekundungen schon gar nicht.
Zusammengefasst: Es scheint die Gerüchte über die Argentinier beinhalten einen Hauch Wahheit. Die Grenzformalitäten während unserer Fahrt nach Feuerland machen dies deutlich. Auf chilenischer Seite geschieht alles meist zu einem Bruchteil der Zeit, die wir auf argentinischer Seite stehen... und in der Regel doppelt so lange warten.
Wir treffen im Hotel in Rio Gallegos auf die argentinische Hotelbesitzerin, die erst vor drei Jahren wieder herübersiedelte, diesmal mit ihrem chilenischen Mann. Auch sie bestätigt diesen Kontrast, obwohl als Kind selbst in Argentinien aufgewachsen, sei es jetzt oft noch schwierig, sich wieder an die argentinische Langsamkeit zu gewöhnen. Alle Prozesse dauerten schier ewig, alles gehe nur über Freunde oder lange Umwege und ende nicht selten im Chaos. Dass das Hotel unter chilenischem Einfluss steht, bekommen wir am nächsten Morgen zu spüren. Mit Blick auf die Uhr (sie zeigt Fünf nach Zehn), zögert der Angestellte mit der Ausgabe des Frühsück. 'Schließlich sei die Zeit dafür ja schon vorbei.'
Auf die große Frage nach dem "Warum" dieser Unterschiedlichkeit und Feindseligkeit zwischen Argentiniern und Chilenen, kann uns keiner eine genaue Auskunft geben. Es heißt, die Anden seien immer schon eine große und hinderliche Barriere gewesen, den Nachbarn kennenzulernen. Das sei immer nur mit großem und beschwerlichen Aufwand verbunden, den man nur selten auf sich nähme. Auch im Zeitalter der Autos, Busse und trotz asphaltierter Straßen scheint dieses Gespenst irgendwie weiterzuleben. Warum sonst werden am Abend pünktlich um acht Uhr die wenigen Grenzpässe geschlossen und erst morgens um acht Uhr wieder geöffnet?
Weiterführende und aufschlussreiche Artikel findet man hier: