Montag, 31. März 2008

La Ruta 40

Ende Februar hieß es schon wieder Koffer packen, um das Fernweh zu stillen. Diesmal ging es Richtung Süden und diesmal waren die Schwiegereltern mit im Gepäck. Obwohl die Schule noch nicht angefangen, Marc jedoch schon Schulpflicht hatte, konnte er diese Reise nicht mit uns antreten.
Ein Bus von Chaltén Trafel fuhr uns am ersten Tag durch die komplette Provinz Chubut bis in die Provinz Santa Cruz, genauer gesagt, nach Perito Moreno, einem kleinen unbedeutenden Städtchen mitten im Nirgendwo, circa 800 km südlich von Bariloche. Von hier aus ging es am nächten Morgen weiter, zunächst zur Cueva de las Manos. In einer atemberaubend schönen Schlucht des Río Pinturas wurden 1941 eine Fülle von Höhlemalereien entdeckt, deren Ursprung man um 7.000 v. Chr. schätzt. Sie zeigen neben einer großen Vielfalt an Händen auch Tiere, Jagdszenen und einfache Muster. 1999 hat man diese Höhlen zum Weltkulturerbe der Unesco ernannt.
Von da aus ging es nachmittags weiter nach El Chaltén am Lago Viedma, größtenteils über Schotterpisten übrigens. Am Fuße des beeindruckenen Berges Fitz Roy haben sich hier vor 20 Jahren die ersten Siedler niedergelassen. Heute lebt das Dorf fast ausschließich vom Bergtourismus. In der Hochsaison steigt die Einwohnerzahl von einigen hundert bis auf 15.000 an. Nach einer Übernachtung in einer gemütlichen Jugendherberge versuchten wir die Gegend zu erkunden. Der Versuch wurde aufgrund heftigster Windböen jedoch schon im Keim erstickt. Dies sei sehr typisch für diese Region, sagte man uns. Will man den Berg hinauf, müssen Bergsteiger oft tagelang warten, bis das Wetter eine Wandertour überhaupt erst möglich macht.
Gegen Mittag ging es dann wieder weiter Richtung El Calafate. Vollkommen auf Rüttel-Entzug - wir hatten mittlwerweile schon fast 16 Stunden nicht mehr in einem Bus gesessen - jubelten wir, als wir auf der nächsten Schotterpiste endlich wieder die Durchblutung in Gesäß und Oberschenkel auf die Probe stellen konnten. Das Sitzen auf den üblichen Reisesitzen, die Scheiben, die uns stets von der Außenwelt trennten, unter uns die vier großen rollenden Reifen, sowie der pausenlose Schleudergang waren mittlerweile so vertraute Begleiter geworden, dass wir uns im Bus schon fast heimisch fühlten. Immerhin: Wir können sagen, dass wir die berühmte Ruta 40, die längste Fernstraße Argentiniens, gefahren sind. Dass es sich dabei um eine Schotterpiste der abenteuerlichsten Art handelt, ist eher nebensächlich. Den meisten Schaden hatte wohl eher das Busunternehmen zu beklagen, denn die wild umherschleudernden Steine unter uns haben sichherlich ihre Spuren hinterlassen, nicht nur in unserem Trommelfell.
Das Endziel unserer Reise war El Calafate, das seinen Namen von einem in der Gegend wachsenden Beerenstrauch bekommen hat, dessen Früchte die Leute zu wunderbar schmeckenden Marmeladen, Kuchen und Eis weiterverarbeiten. Der Ort ist Ausgangspunkt zum Nationalpark Los Glaciares, der berühmt und bekannt ist für seine atemberaubende Gletscherlandschaft, übrigens auch ein Weltkulturerbe der Unesco. Der berühmteste Gletscher ist der Perito Moreno Gletscher, benannt nach dem berühmten Geograph und Anthropologen Francisco Pascasio Moreno (kurioserweise ist er nie dort gewesen). So staunten auch wir beim Anblick dieses Naturwunders und standen ehrfürchtig vor einer zum Teil 60 Meter hohen Gletscherwand, von der von Zeit zu Zeit Stücke in den kalten Lagao Argentino abbrachen. Wie in einem Fußballstadion jubelten die Zuschauer, als sie Zeuge dieser Erscheinung sein durften, sahen und hörten, wie das Eis erst mit einem Ächzen, dann aber mit einem lauten Krachen in die Tiefe stürzte. Noch einige Sekunden danach konnte man die Auswirkungen und die Kraft des Eises an den aufschlagenden Wellen erkennen.
Der Gletscher wächst übrigens weiter, entgegen allen anderen Gletschern auf der Welt; täglich schiebt er sich einige Zentimeter nach vorn, bis er eines Tages einen der Zuflüsse des Lago Argentino blockiert, sich hier das Wasser aufstaut und einen enormen Druck erzeugt. Wird dieser zu hoch, so geben die Eismassen in einem spektakulären Tosen, Brechen und Knallen nach und ein riesiger Eisberg stürzt in den See. Dieses Ereignis gab es zum letzten Mal im März 2006, mit einer erneuten "Vorführung" dieser Szene wird in diesem Winter gerechnet. Wer sich davon ein Bild machen will, der kann bei diesem Filmchen (siehe unten) staunen und Gänsehaut bekommen.
Anklicken lohnt sich!
Schade, dass wir nicht live dabei sein konnten, dennoch: Uns bleibt ohne die große Show ein unvergesslicher Eindruck, an den wir uns immer wieder gerne zurück erinnern werden.

Müde und immer noch ziemlich durchgerüttelt, kamen wir nach fünf Tagen Ruta 40 und vielen weiteren Erschütterungen und Rührungen wieder in Bariloche an. Zurück haben wir uns ein Flugzeug gegönnt. Es reichte uns die eine Kostprobe der Ruta 40!

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