Dienstag, 27. Mai 2008

Jetzt ist der Sommer nur noch Erinnerung

Der Winter steht vor der Tür, die Temperaturen bewegen sich um den Gefrierpunkt, die Bergspitzen sind in Weiß gehüllt und die ersten Glatteisunfälle ereignen sich auf den Straßen. Morgens wird es erst gegen 8 Uhr 30 hell und abends um 18 Uhr reicht das Tageslicht nicht mehr aus, um im Haus eine Zeitung lesen zu können. Tagelanger Dauerregen macht müde, man will am liebsten das Haus gar nicht mehr verlassen. Die Zeit vor der Wintersonnenwende lässt einen melancholisch sein, das Gemüt wird schwer, aus Dur wird plötzlich Moll, und so ist es nicht verwunderlich, dass man einfach die Augen schließt und sich, genau wie Frederik, die Sonnenstrahlen des Sommers noch einmal in Erinnerung holt.

Zum Beispiel die Erinnerung an Las Grutas, ein kleiner Ort an der atlantischen Küste, den wir in der Osterwoche besucht hatten. Fährt man von Bariloche aus quer durch Patagonien, so landet man in dem für die Barilochenser so beliebten Badeort.

Die Anfahrt gestaltete sich für uns verwöhnte Europäer auch hier wieder etwas mühsam, da die Straßen zur Küste nicht asphaltiert sind. Anfangs glaubten wir kaum, dass wir während der Busfahrt ein Auge zu bekämen, denn Schlaglöcher und Steine auf dem Weg erweckten den Eindruck, dass wir uns in einem Mittelklasseraumschiff inmitten eines Meteroritenschauer befänden. Nach einer Flasche Rotwein jedoch machte uns das gar nichts mehr aus und so spielten wir in unseren Träumen bei originalgetreuer Kulisse weiter Starwars & Co. Und in einem Ruck waren wir dann an der Küste.

Las Grutas ist für zwei Dinge bekannt, zum einen für seine steil abfallenden Felswände, in die in regelmäßigen Abständen die sogenannten bajadas (Abgänge Nr. 1 - 7) gehauen sind und den Zugang zum Meer ermöglichen. Bei Flut reicht das Meer bis an diese Felswände, und so haben sich durch die ständige Spülung dort an einigen Stellen im Laufe der Zeit Grotten (grutas) gebildet. Das zweite Merkmal von Las Grutas ist der immense Tidenhub des Meeres. Bei Ebbe zieht sich das Meer weit zurück und zum Baden muss man einige hundert Meter zum Wasser laufen, während bei Flut das Wasser bis zur Felswand reicht, so dass es teiweilse keinen Zugang mehr zum Meer gibt und nur noch an einer Stelle ein kleiner Strand zur Verfügung steht. Das ist die Zeit, in der man einerseits oben auf der Felswand scharenweise Angler trifft und sich andererseits bei Badelust mit Millionen anderer Wasserratten ein winziges Fleckchen trockenen Strand teilen muss. Zieht sich das Meer jedoch zurück, entspannt sich alles. Raum tut sich auf, und es eröffnet sich eine scheinbar bis zum Horizont reichende Weite.
Man kann stundenlang am Strand entlang laufen (jedenfalls solange, bis dass die Flut wieder kommt), oder die Gefilde, die das Meer nun freigegeben hat, erkunden: Kleine Prile und Pfützen sind nach der Flut in dem felsigen Boden übrig geblieben und bieten kleinen Meeresbewohnern bis zur nächsten Flut ein "Dach über dem Kopf". Stundenlang kann man dort verweilen, seine Neugierde stillen und die Unterwasserwelt bestaunen. Man sieht Krebse, kleine Fische und Quallen sowie verschiedene Vögel aus nächster Nähe.
Wem dies aber nicht reicht und auch der Weg zum Meer nun zu weit erscheint, dem hat Las Grutas seit einigen Jahren auch noch etwas anderes zu bieten und zwar die in den Stein gehauenen piletas (Schwimmbäder), die zwar bei Flut einen Teil des Meeresbodens ausmachen, bei Ebbe jedoch freigelegt werden und so, stets gefüllt mit frischem Meereswasser, den fußkranken Wasserratten ein sicheres Badevergnügen bereitet.

Wir verbrachten die Tage dort mit all diesen Dingen, die man in Las Grutas machen kann. Neben dem Warten auf die Flut und dabei den Anglern zuschauen, am Strand entlang laufen, stundenlanger Meeresforschung und Muschelsuche genossen wir die freie Zeit mit frischen licuados, leckeren Meeresfrüchten (allerdings nur Marc) oder einem gemütlichem Mate unter freiem Himmel.

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