Hier in Bariloche scheint es nur zwei verschiedene Arten von Tagen zu geben: Ein Tag an dem alles klappt, oder ein Tag an dem alles schief läuft. In bunter Willkür wechseln sich diese immer wieder ab. Ich skizziere euch einmal ein Beispiel für einen Tag, an dem alles schief läuft: Ich nehme mir vor, hinunter in die Stadt zu gehen, um folgende Dinge zu erledigen: Dokumente faxen, Briefumschläge kaufen, Dokumente kopieren und zur Post bringen und Einkaufen einiger Lebensmittel.
Zunächst einmal laufe ich los und vergesse die Faxnummer, so dass ich einen Block wieder bergauf zum Haus laufen, dass Tor und die Haustür wieder aufschließen und die Alarmanlage deaktivieren muss, um dann dasselbe in umgekehrter Reihenfolge wiederholen zu müssen, nachdem ich endlich die Faxnummer gefunden habe. Meine erste Station ist das nächste Locutorio, in dem ich das Fax versenden will. Nach vier Versuchen sagt das nette Mädchen etwas, das mir zu verstehen gibt, dass es nicht klappt, denn sie schüttelt den Kopf und gibt mir die Seiten zurück, warum auch immer… Ich bedanke mich mit einem „Gracias“ und gehe, nachdem ich für diesen Versuch vier Pesos bezahlt habe. Ich entscheide mich, kurz an der Bushaltestelle zu warten, vielleicht habe ich ja Glück und es kommt einer, der mich nach unten fährt. Schnell wird klar, dass ich kein Glück habe, denn eine Frau erzählt mir, dass heute die Busse streiken aus Trauer wegen des bei der Demonstration umgekommenen Lehrers. Nun gut… geh´ ich eben zu Fuß. Auf halbem Wege komme ich wieder an einem Locutorio vorbei und versuche es erneut mit meinem Fax. Aber auch hier habe ich kein Glück, diesmal zeigt mir der nette Mann auf der Faxbestätigung „no connection“. Ein Teilerfolg: Ich muss für die missglückten Versuche nix zahlen… Sehr nett! In der Stadt angekommen sehe ich einen Schreibwarenladen, der auf dem Schaufenster in großen Lettern „Fotocopias“ stehen hat. So gehe ich zuversichtlich hinein, hole meine Unterlagen heraus und sage: „Fotocopias, por favor!“. Die Frau schaut mich völlig entgeistert an und sagt entschieden „No“, den Rest verstehe ich nicht. Aber ihrer Gestik und Mimik zufolge muss ich wohl ganz falsch gelegen haben, so als ob ich beim Bäcker eine Kontaktanzeige hätte aufgeben wollen. Vor der Tür schaue ich noch einmal ganz dramatisch und übertrieben auf das Schild im Schaufenster. Ganz demonstrativ will ich aus meinem Rucksack mein Wörterbuch herausholen (ich bin mir sicher, dass „Fotocopias“ Fotokopien heißen, nun ja…, vielleicht heißt es ja nur, dass sie im Geschäft Fotokopien liegen haben, nicht, dass sie welche herstellen können), und so stelle ich fest, dass ich meine Bibel, mein Garant fürs Überleben in der Fremde, zu Hause gelassen habe. Na super! Ich versuche trotzdem, im nächsten Schreibwarenladen Briefumschläge zu erwerben, denn in dem anderen wollte ich nicht länger als nötig bleiben.
Zurück zur Telefonmisere: Da ich nun sowieso schon in der Nähe bin, beschließe ich, in einem mir bekannten Kiosk eine internationale Telefonkarte zu kaufen, denn da bin ich nicht auf Kleingeld angewiesen. Auf dem Weg komme ich an der Post vorbei und denke, hier muss ich sowieso meine Briefe abgeben, die haben bestimmt auch Briefumschläge! Hier reicht die Schlange aber bis an die Treppe an der Straße, so dass ich beschließe später noch mal hinzugehen… Weiter vom Pech verfolgt hat das erste Kiosk keine Telefonkarten mehr, das zweite Kiosk hat schon Siesta und so laufe ich vom Schicksal gejagt durch die Stadt auf der Suche nach entweder einem funktionierendem und nicht besetzten Münztelefon oder nach einem Kiosk, das Telefonkarten verkauft… Ohne Erfolg. Einmal sehe ich von weitem eine freie Telefonzelle, aber knapp eineinhalb Meter vor mir verschwindet ganz frech eine kleine alte krumme Hexe in das Häuschen… Verzweiflung und Frust wollen Wasser aus meinen Augen drücken, aber ich kann die Tränen noch zurückhalten! Ich beginne ziellos und ohne Verstand durch die Straßen zu laufen. Am Ende der Einkaufstraße sehe ich ein Schaufenster, in dem meine Telefonkarten ausgestellt sind. Endlich, das Schicksal lässt mich doch nicht in Stich! Gekauft und schon in einer Telefonzelle verschwunden. Dieses Telefon akzeptiert jedoch die Nummer der Hotline, bei der ich meinen auf der Karte freigerubbelten Zugangscode eingeben will, nicht. Das Telefon tutet einfach nicht! „Okay, Birgit, solche Rückschläge kennst du ja bereits, nicht aufgeben, weiter geht´s!“, denke ich mir. Hundert Meter weiter gibt es wieder ein Telefon! Nachdem ich die Hotline angerufen und meinen auf der Karte freigerubbelten Code eintippe, höre ich am anderen Ende der Leitung ein Band: Ich verstehe nur „es incorrecto“?! Ein erneuter Versuch: „el numero de su tarjeta es incorrecto“! Hääääää?! Jetzt ist es soweit: Eine Träne findet den Weg nach draußen! Ich bin echt verzweifelt, stolpere aus der Zelle und wandere weiter, hoffnungslos, ziellos, resigniert und am Boden zerstört. Dennoch, meine Wahrnehmung lässt mich nicht im Stich und so entdecke ich wieder eine Telefonzelle auf der anderen Straßenseite (dort, wo eben die Hexe schneller war als ich). Hier habe ich Glück, die Nummer wird akzeptiert, ein Freizeichen, ich habe es geschafft, juchee!! Doch warum geht keiner ´ran? Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass es ein Uhr ist, was so viel heißt, dass es in Deutschland fünf Uhr ist und das Büro bereits geschlossen hat! Okay… ich sollte auf dem schnellsten Weg wieder nach Hause, das ist nicht mein Tag!
Doch halt stopp: Ich könnte noch schnell an der Post vorbei, die Briefe aufgeben. Wieder Mut und Hoffnung schöpfend tragen mich meine Füße weiter! Doch vor der Post stehend, stelle ich fest, dass auch sie von 13 bis 16 Uhr Siesta hat! Ich beschließe nach Hause zu gehen und bitterlich zu weinen, doch auf dem Weg komme ich auf die Idee, Hackfleisch für Spaghetti Bolognese zu kaufen. Da der Supermarkt keine Selbstbedienungstheke hat und ich nicht weiß, was Hackfleisch heißt, verlasse ich den Supermarkt kurze Zeit später und vergesse dabei, dass ich eigentlich noch Margarine und Brot kaufen wollte… Ich komme an einer Bushaltestelle vorbei und habe Glück, denn der Bus hält gerade. Ich kaufe mir ein Ticket – das kann ich ja schon: „un boleto, por favor“ – und falle völlig fertig auf einen freien Sitz. Es dauert nicht lange, da bemerke ich, dass ich in den falschen Bus eingestiegen bin und drücke auf den Haltknopf. Mein Weg nach Hause ist jetzt etwas länger! Aber wenigstens scheint die Sonne…!
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