Montag, 30. Juli 2007

Valparaíso

Valparaíso, die Stadt, die auf 45 Hügeln erbaut ist, da sollen die Römer noch mal was sagen. Vom Hafen aus winden sich die Straßen die Hänge hinauf, die mit kleinen bunten Häusern übersäht sind. (Ehrlich gesagt hatte ich irgendwie den Eindruck, als würde ein riesiges Geschwür von Häusern den Berg befallen.) Valparaíso ist auf jeden Fall einen Besuch wert, der Winter ist recht mild, die Strände sind auch nicht weit und kulturell hat die Stadt so einiges zu bieten: uralte schräge Aufzüge die Hänge hinauf, ein Haus des weltbekannten chilenischen Dichters Pablo Neruda und manch imposanter Kolonialbau und ein historischer Stadtkern, wie sich das für eine UNESCO - Weltkulturerbe - Stadt gehört. Dass Valparaíso eine der schönsten Städte der Welt sei, wie es im Wiki-Artikel steht, kann ich allerdings nicht unterschreiben, aber die UNESCO wird es schon wissen.

Heute morgen beim ausgiebigen Frühstück (mit Salami, Käse, Marmelade und frischem Obst!) haben wir mit Fernando und Alejandra aus Santiago gesprochen (sie besitzen ein Restaurant in Valparaíso), die uns unter anderem erzählten, in Chile würden seit einigen Jahren Sprachkurse in "Mandarin" angeboten und heiß nachgefragt, weil Chile umfangreiche Handelsabkommen mit China laufen habe (Freihandelsabkommen seit 2005). Eigentlich logisch, chilenisches Chinesisch, von Chile aus ein bisschen nach Norden rauf, schnell den Äquator langgeschippert, dann durch Mikronesien, zwei Buchstaben getauscht und schon ist man in China ...

Chile ist Südamerikas Exportmeister (Verhandlungen über Freinhandelsabkommen mit Japan und Indien laufen ebenfalls) und größter Kupferproduzent der Welt, die Wirtschaft boomt, und durch die zeitweise hohe Inflation der vergangengen Jahrzehnte gibt es am Bankautomaten inzwischen auch 100.000 Peso zu ziehen. Mit 200.000 Peso in der Tasche ist uns ganz schön schwindlig geworden (1 Euro sind rund 700 Chilenische Peso), aber sonst hätten wir das Zimmer in unserer netten Hospedaje "El Mirador" nicht bezahlen können, es hat glatte 24.000 Peso gekostet - mit tollem Frühstück, wie gesagt, was wir ja aus Argentinien gar nicht mehr gewöhnt waren, da waren wir schon überglücklich, wenns im Hotel Porteño (Mina Clavero) eine hausgemachte Marmelade zu den Medialunas gab (siehe Post "Auf der Durchreise").

Samstag, 28. Juli 2007

Durch die Anden

Unser nächstes Ziel heißt Valparaiso, die Stadt, die Jules Verne in seinen Romanen erwähnt, der Sting einen Song widmet und die gerne als „Hamburg des Südens“ bezeichnet wird. Die Reise dorthin unterscheidet sich etwas von den bisherigen, denn heute werden wir so einige Höhenmeter machen und zum ersten Mal die Anden überqueren.

Von Mendoza fährt man durch endlose Täler und Ebenen auf die Anden zu und erhascht dabei nicht selten einen wunderbaren Blick auf den höchsten Berg der Anden, ganz Amerikas und der gesamten Südhalbkugel: der Aconcagua. Der Rio Mendoza ist dabei unser Begleiter, er windet sich durch die Täler. Einst ziemlich breit und groß, fließt zurzeit jedoch nur sehr wenig Wasser den Mendoza herunter, da es für die Bewässerung der Oase Mendoza mitsamt seinem berühmten Weinanbau genutzt wird. Auch ohne reißenden Fluss genießen unsere Augen den großen Raum und die weite Ebene, die die Berge trotz ihrer stolzen Höhe zulassen. Diese schillern in bunten Braun- und Rottönen in der Morgensonne, sodass man meint sie würden leuchten.

Zuerst haben wir nicht den Eindruck, dass der Weg mühsam wäre. Später fahren wir an kilometerlangen Schlangen von Lastwagen vorbei, die schon längere Zeit an einer Stelle zu stehen scheinen. Dies wird sich bis zum Grenzübergang nach Chile nicht ändern. Der Grenzübergang "Los Libertadores" (3100 m) gilt als Hauptdurchgang für Industrie und Handel und ist dementsprechend gut besucht. Später erfahren wir, dass der Grenzübergang aufgrund eines Sturms drei Tage geschlossen war und sich daher dieses ganze Blech aufgestaut hatte. Es gibt noch einen anderen, höher gelegenen Pass ("Bermejo-Pass"), der aber im Winter nicht passierbar ist. Daher bleiben uns einskalte Winde in 3854 m Höhe erspart, aber auch leider der Anblick des „Cristo Redentor de los Andes“, der zur Schlichtung von Grenzstreitigkeiten zwischen Argentinien und Chile dort errichtet wurde.

Einige Kilometer vor der eigentlichen Grenze nach dem vielbesuchten Ski-Ort Las Cuevas genießen wir von einem Aussichtspunkt in 3200 m Höhe den Gipfel des Aconcagua. Wer wirklich geglaubt hat, wir würden den Berg gänzlich besteigen wollen (siehe Post "Mendoza"), ist uns auf den Leim gegangen. Die Besteigung erfordert zwei bis drei Wochen und darf nur von erfahrenen Bergsteigern vorgenommen werden. Dies sehen wir dann auch gleich ein, als wir auf einen kleinen Hügel steigen, um unseren Anblick und das Fotomotiv zu optimieren. Denn schon dieser kleine Aufstieg lässt uns hyperventilieren.

Zurück auf der Straße fahren wir weiter Richtung Grenze, leider ohne wirklich guten Ausblick auf die Berge, da uns die Schneemassen rechts und links die Sicht versperren. Die Straße jedoch ist frei und sehr gut passierbar. An der Grenze angekommen müssen wir endlose trámites (Diensweg, Behördengang) über uns ergehen lassen. Zunächst wollten die Argentinier nur uns, nicht aber unser Auto aus dem Land lassen, weil wir eine temporäre Aufenthaltserlaubnis hätten, das Auto aber ein argentinisches Auto sei... ??! Klar fahren wir in Argentinien ein in Argentinien zugelassenes Auto... Wir passieren dann doch drei argentinische Schalter und drei chilenische Schalter (und verbringen dort insgesamt eine Stunde), unser Auto wird haarklein unter die Lupe genommen, ob wir vielleicht Illegales ins Land einschmuggeln… und siehe da: die Grenzbeamten werden fündig: Eine Salami und ein Apfel sind die Übeltäter. Sie Wir dürfen sie vor den Augen der Beamten aufessen.

Der Weg die Anden wieder herunter auf chilenischer Seite ist etwas abenteuerlicher. Endlose Serpentinen und bedrohliche Steigungen erfordern Konzentration und Aufmerksamkeit. Wir bewundern entgegenkommende Busse und LKW, die sich die Straßen herauf quälen und schimpfen über Rowdys, die uns in gefährlichen Manövern überholen. Unten angekommen begrüßt uns eine grüne, hügelige Landschaft mit saftigen Wiesen und üppigen Wäldern. Marcs erster Eindruck: „Es ist wie im Hunsrück.“ Ich kann dies jedoch nicht bestätigen und fühle mich eher in ein asiatisches Hochland versetzt.

Mendoza

Zwei Tage in Mendoza, zwei Tage Genuss und Entspannung. Angenehmes Wetter, viel Grün, schöne, sonnige Plätze und eine nette Unterkunft haben uns den Aufenthalt derart versüßt, dass wir nicht umhin können, jedem, der nach Argentinien reisen will, diese Stadt wärmstens zu empfehlen. So wollen wir uns den Worten unseres Reiseführers (lonely planet) mit 100%iger Überzeugung anschließen:

"Als erstes fallen die Bäume ins Auge: Gingantische Platanen, die sich über den Straßen wie Baldachine ausbreiten und Mendozas lebhafte Bewohner vor der brennenden Sommersonne schützen - kein Mensch käme auf die Idee, dass die Stadt mitten in der Wüste liegt. Das verraten nur die acequias, die offenen Bewässerungskanäle entlang der Straßen, in denen das Schmelzwasser aus den Anden fließt. Sie gehören zu den eindrucksvollen Zeugnissen der präkolumbischen und kolonialen Vergangenheit der Stadt - und sind selbst da noch zu sehen, wo moderne, erdbebensichere Konstruktionen die eingestürzten historischen Gebäude ersetzt haben. Überhaupt: Mendozas Architektur versteckt sich hinter den Bäumen, man entdeckt sie erst auf den zweiten Blick. Ohne die Bäume wäre Mendoza die Hölle - doch so ist sie eine der schönsten Städte Argentiniens."

Besser hätten wir es auch nicht sagen können. Für uns die optima le Erholung vor den zu erwartenden Strapazen der Andenüberquerung nach Chile mitsamt der Besteigung des Aconcagua (6959m).


Donnerstag, 26. Juli 2007

San Juan

Auf einigen Umwegen durch die Gegend von Córdoba, über Alta Gracia, Villa General Belgrano, Mina Clavero, die Quebrada del Condorito, Chamical, das Valle de la Luna und viele endlose Kilometer durch den Cuyo sind wir in San Juan gelandet, einem netten Städtchen im Flachland vor den Anden, wo es selbst im Winter kaum unter zehn Grad wird und im Sommer die baumbewachsenen Alleen Schatten spenden. (Hier mussten wir übrigens einen Stopp einlegen, um unsere Reisepässe im Instituto Alemán abzuholen, die meine Kollegin bei uns zu Hause in Bariloche abgeholt und auf ihrer "Winterreise", die glücklicherweise auch durch San Juan führte, dort deponiert hatte, sonst wäre Chile ein Traum geblieben.) Noch ein Wort zu den Entfernungen. Ich hatte es zwar schon mal angedeutet, als wir mal eben 1100 Kilometer zu den Walen gefahren sind (eine Strecke), aber man muss sich das wirklich mal vor Augen führen: Der Weg von Bariloche nach Córdoba führt erstmal hunderte Kilometer nahezu geradeaus, dann bei Kilometer 996 gehts an der Kreuzung 90° links ab und dann wieder 600 Kilometer geradeaus, und geradeaus heißt hier mitunter wirklich geradeaus. Endlose Kilometer durch die Landschaft, die alle Stunde mal das Gesicht wechselt: Wiesen mit Sträuchern in der Pampa, Wiesen mit Rindern, Wiesen ohne Rinder, dann endloses Land mit ein paar Bäumen, vielen Sträuchern, zwischendurch mal ein Hügel, dann wieder ewiges Land, als wäre die Welt nicht schon groß genug. Und dann geht es ja so weiter, wenn man in irgendeine Richtung wieder weiter fährt, endlose 500 Kilometer bis San Juan. Bueno, San Juan ist ganz nett, aber nicht weiter der Rede wert. Wir sind gespannt auf Mendoza, der Stadt des Weines, tatsächlich nicht mehr als 170 Kilometer von San Juan entfernt!

Dienstag, 24. Juli 2007

Auf der Durchreise

In der Gegend von Córdoba haben wir einige Estancias Jesuiticas besucht, die seit einigen Jahren zum Weltkulturerbe zählen, so zum Beispiel eine schöne Estancia Jesuitica in Jesús María, 60 Kilometer nördlich von Córdoba. In Alta Gracia (30 Kilometer südwestlich von Córdoba) gibts neben einer Estancia noch eine weitere berühmte Sehenswürdigkeit: das Wohnhaus von Ernesto "Che" Guevara (siehe auch die Bedeutung von "Che"), in dem er wegen Asthma seine Jugendjahre verbrachte, heute ist es ein Museum. (Vielleicht hat er Asthma aber auch nur vorgetäuscht, um legal dopen zu dürfen...) Im letzen Jahr noch haben Fidel Castro und Hugo Chávez gemeinsam das Haus besucht, ein eigener Raum informiert jetzt darüber. Wer Lust hat, sollte sich mal die Doku "Diarios de motocicleta" (dt. Die Reise des jungen Che) über die Reise Guevaras 1952 durch Argentinien anschauen - wunderschöne Aufnahmen und viel Interessantes über Che, als er noch nicht Che war. Von dort aus ist es nicht weit nach Villa General Belgrano, einem furchtbar bayerisch angehauchten Städtchen mit hausgebrautem Bier und dem jährlichen Oktoberfest, dem größten Bierfest Argentiniens. In Mina Clavero [esp.] war es dann schon wieder schöner, vielleicht auch wegen der netten alten "Herbergseltern" im Hotel "Porteño", die uns herzlich verwöhnt haben. Es gab zu dem üblicherweise kargen argetinischen Frühstück, bestehend aus Kaffee oder Tee mit Medialunas (eine Art Chroissant), sogar anderes süßes Gebäck und vorzügliche hausgemachte Marmelade, sozusagen ein sehr ausführliches argentinisches Frühstück... Über ein Hochplateau der pampinen Sierren auf knapp 2000 Meter kommt man dann zum Eingang eines Nationalparks (Parque Nacional Quebrada del Condorito [esp.]), in dem bei warmen Aufwinden normalerweise zahllose junge Condore bei ihren Flugversuchen zu sehen sind. Leider nur fehlten die warmen Aufwinde und so haben wir uns fast umsonst bei null Grad die neun Kilometer zu den Aussichtspunkten durch eiskalten Wind gekämpft. Zwischendurch schlug das Wetter vollends um und ein paar Schneeflocken vereisten unsere Augenbrauen auf dem Rückweg. Okay, okay, so schlimm wie damals bei der Antarktisdurchquerung war es nicht... und immerhin haben wir einen kleinen Condorito gesehen, weit oben und weit weg.

Danach ging es im schnellen Ritt wieder einige hundert Kilometer durch den Cuyo in Richtung "Valle de la Luna", dem Parque Provincial de Ischigualasto (Weltnaturerbe), einem wunderschönen Naturreservat mit bizarren, jahrmillionen alten Felsformationen. Am Parkeingang mussten wir auf den Start der nächsten Karavane warten, denn den Park kann man nur mit Guide durchfahren. Und so zuckelten fast zwanzig Autos dem Guide hinterher zu den verschiedenen sehenswerten Punkten auf der 40 Kilometer langen Rundstrecke. Und wie es der Zufall so will - die Welt ist ja bekanntlich klein -, hören wir plötzlich jemanden rufen: "Marc, was machst du denn hier?" Da quatscht uns mein Kollege an (der auch noch Seeger heißt, kein Witz!), den ich im November in Köln bei der Vorbereitung auf die "Mission: Argentinien" kennen gelernt hatte, und der jetzt im Instituto Lenguas Vivas in Buenos Aires in der Lehrerausbildung tätig ist. Alle paar Kilometer haben wir unsere Plauderei dann auf den Zwischenstopps fortgesetzt. Sachen gibts...

Freitag, 20. Juli 2007

Córdoba

Man sieht es an den Schuhen und an der Kleidung, die Frauen tragen hohe Absätze und spitze Stiefel, selbst die Männer sind teilweise chic. Ganz anders als in Bariloche, wo frau mit Absätzen gar nicht die bergigen Straßen hoch käme und die Klamotten daher viel funktioneller sind, selbst abends im Restaurant. Wir befinden uns in Córdoba, nach 1600 Kilometern durch die Provinzen Neuquén, Río Negro und La Pampa die erste Station (primera parada) auf unserer Ferientour, die uns während der dreiwöchigen Winterferien (!) durch den Mittelwesten von Argentinien und nach Chile führen wird (grobe Route: Bariloche - Córdoba - Mendoza - Santiago de Chile - Valparaiso (Chile) - Osorno (Chile) - Bariloche, rund 4000 Kilometer). Hier in Córdoba geht Mann und Frau jedenfalls sehr modebewußt aus, genug Boutiquen gibt es im Zentrum dafür auf jeden Fall. Die sonnige und recht schöne Plaza San Martín wird von einigen Einkaufsstraßen im Quadrat umrahmt. Die Stadt ist ansonsten aber lange nicht so beeindruckend, wie es der Reiseführer verspricht. Klar sind hier viele Kolonialbauten zu sehen, sie ist schließlich eine der ältesten Städte Artgentiniens (1573 "offiziell" gegründet, es gab aber vorher schon eine Indianersiedlung, siehe Geschichte der Stadt), sie besitzt die erste Universität (1613) des Landes, aber leider stehen die tollen kolonialen Gebäude fast alle im Schatten der hässlichen Hochhäuser, die zwischendrin gebaut worden sind. Es sieht - ähnlich wie in Buenos Aires - ein bisschen so wie auf diesen großen, grauen Plastikplatten aus, die wir früher mit Legosteinen in allen Höhen und Farben vollgebaut haben.

Nun ja, wir sind ja nicht nur zum Sightseeing hierher gekommen. Wir haben die Woche genutzt, um unser Spanisch aufzubessern und haben die ganze Woche durch die Schulbank gedrückt. Und das in den Ferien! Ganz schön bekloppt, wird sicher jemand sagen, aber ich sage nur, das war bitter nötig, denn bisher kommen wir kaum voran mit der Sprache. Das liegt natürlich daran, das wir schon ein bisschen aus dem günstigen Alter zum Sprachen lernen heraus sind, aber vor allem liegt es daran, dass wir in Bariloche einfach zu viel Deutsch sprechen, mit den Kollegen in der Schule und mit den vielen deutsch-stämmigen Argentiniern außerhalb der Schule... Birgit und ich hatten schon mal probiert, miteinander nur noch castellano zu sprechen, aber da war der Tag doch ein wenig einsam und still. Die Schule hat jedenfalls Spaß gemacht! Und es hat uns aufgezeigt, wie viel es noch zu lernen gibt in dieser Sprache, von der es so gerne heißt: "Ach, wenn du Latein hattest, ist Spanisch eigentlich total einfach." Von wegen.

Ein anderer Umstand stellt uns weit mehr zufrieden: Die Temperaturen hier in Córdoba sind wie erhofft für den Winter sehr angenehm, pendeln im Moment zwischen 12 und 18 Grad Celsius. Letzte Woche, vor unserer Ankunft, soll es aber auch hier mal kurz geschneit haben, zum ersten Mal nach 70 Jahren! Wie übrigens auch in Buenos Aires nach 90 Jahren zum ersten Mal wieder, aber das war ja schon in den Nachrichten in Deutschland. Am Montagmorgen musste ich mir dann auch mal schnell einen Pulli kaufen, da es doch noch recht kühl war, was allerdings auch an dem reichlichen Schatten lag, den die Hochhäuser spenden. Ein günstiger Pulli für umgerechnet 13 Euro war aber schnell gefunden. Überhaupt wundert mich immer wieder, was es hier alles zu kaufen gibt, nicht nur hier in Córdoba, sondern auch in Buenos Aires (claro!), aber auch in Bariloche und den (paar) anderen Städten, in denen wir bisher waren. Man sieht es besonders an den zahllosen Handy-, Klamotten- und Schuhgeschäften, die mir am meisten auffallen. (Deren Zahl könnte wirklich noch höher sein als die der Geländewagen in Bariloche.) Es gibt eigentlich nichts, was es in Argentinien nicht zu kaufen gäbe, die Frage ist nur, wer kauft das alles? Denn nicht alles ist so günstig wie ein Pulli, und selbst der Preis von 54 Peso ist kein Sonderangebot. Die lezte Wirtschaftskrise, während der unter anderem Privatkonten eingefroren und nach der Entkoppelung des Peso vom Dollar nur noch ein Drittel der Gelder wieder aufgetaut wurden, liegt erst sechs Jahre zurück. Der Peso war plötzlich nur noch ein Drittel wert, doch die Hypotheken blieben bestehen. Mancher verlor dadurch den Gegenwert eines ganzen Hauses. Außerdem leben 34 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze - "angeblich", muss man angesichts des Marktangebots fast sagen, auch wenn ich das natürlich nicht wirklich bezweifle, ich brauche nur an die vielen Holzhütten in den Außenbezirken Bariloches, den Gürtel rund um Córdoba oder die Papphütten unter den Stadtautobahnen von Buenos Aires zu denken und schon passt es mit den 34 Prozent wieder. Aber auch die anderen 66 Prozent leben natürlich nicht in Reichtum, das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen liegt mit 900 Peso (300 Euro) nur knapp über der Armutsgrenze, das durchschnittliche Haushaltseinkommen liegt bei 1600 Peso (400 Euro), eine gute 3-Zimmer-Wohnung ohne großen Luxus kostet in Buenos Aires zwischen 1000 und 3000 US-Dollar monatlich. US-Dollar! Wer soll das alles also kaufen? Die argentinische Wirtschaft gibt mir noch so einige Rätsel auf, aber davon vielleicht später mehr, jetzt sind erstmal wieder Ferien angesagt. Am Sonntag geht es weiter, wohin wissen wir aber noch nicht so genau, das Land ist einfach so groß und vielfältig, dass wir uns kaum festlegen wollen, nur die grobe Richtung steht fest: West-Nordwest.

Freitag, 13. Juli 2007

Fiesta de las Colectividades

Am letzten Wochenende hat ganz Bariloche drei Tage lang getanzt. Aber nicht etwa lateinamerikanische Salsa, Samba oder Cueca, wie man meinen könnte, sondern traditionelle Tänze aus Ländern des "guten, alten Europa". Folklore aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, aus Russland, Kroatien, Slowenien, Italien, Spanien und dem Baskenland wurde von eben so vielen Schülertanzgruppen dargeboten. Kurze Einlagen des argentinischen Tango und des traditionellen Chacarera der Gauchos fehlten natürlich dennoch nicht. Das Ganze nennt sich Fiesta de las Colectividades [span. Seite] und wird von den hiesigen Gemeinschaften der europäischen Einwanderer organisiert. Ganz ehrlich, ich habe hier in den letzten Monaten mehr heimische Volkstänze (Polka, Landler, Walzer) gesehen als in zwanzig Jahren zuvor, wie ich ja schon zu meinem ersten echten Schuhplattler auf der Jubiläumsfeier unserer argentinischen (!) Deutschen Schule bemerkt hatte (siehe Post vom 16. März).

Auf der Fiesta gab es außerdem kulinarische Köstlichkeiten wie italienische Pizza, spanische Paella, russischen Borschtsch, ungarisches Gulasch, deutsches Sauerkraut mit Kassler (tatsächlich vom Schwein, das man hier eigentlich nirgendwo findet) und Hot Dogs am dänischen, schweizer und deutschen Stand (typisch europäisch?!), natürlich Wein, deutsches Bier und russischen, sehr leckeren Wodka (da wurden Erinnerungen an Charkiv wach), serviert von einer russischstämmigen Ukrainerin, die ursprünglich aus Jalta auf der Krim kommt (siehe auch Konferenz von Jalta) und seit sieben Jahren mit einem Argentinier aus Bariloche verheiratet ist. Ebenso bunt wie diese Paarung waren die vielen Kuchen und Torten aus aller Herren und Frauen Länder: Streusel, Apfelstrudel (der heißt hier wirklich estrudel de manzana), Kirschkuchen und natürlich Schokoladentorte, die in Bariloche nicht fehlen darf. (Eins der vielen Schokoladengeschäft hier heißt tatsächlich „Mamuschka“. Um dem Vorwurf der Schleichwerbung vorzubeugen, aber vor allem, damit ihr euer Bild der Barilochenser Schokoladenindustrie vervollständigen könnt, seien noch Del Turista und Rapa Nui genannt.) Komischerweise gabs aber keinen argentinischen Stand, weder von den eurpäischstämmigen Argentiniern noch von der indigenen Bevölkerung.

Es war ein wunderbar rauschendes Fest ohne Gastgeber, die Stadthalle war brechend voll, die Ränge ebenso und die Leute feierten durch bis morgens früh … Na jedenfalls lang genug, so dass später oft erzählt wurde, es wäre sehr viel getrunken worden. Mal ganz unter uns, es war nicht ein Gast des Festes auch nur annähernd so betrunken wie ein durchschnittlicher Besucher einer deutschen Dorfkirmes, eines Schützenfestes oder auf Karneval. Die argentinischen Schüler, die kürzlich drei Monate in Deutschland waren, erzählten unisono von ihren Erfahrungen mit Alkohol und den betrunkenen Karnevalisten auf Kölner Straßen beziehungsweise von deren Begegnungen mit der Polizei. Da braucht man sich nicht mehr wundern, woher das Klischee vom „trinkfesten Deutschen“ kommt ...

Was für ein schönes, buntes, multikulturelles Fest! Wie gut, dass die conquistadores damals ganze Arbeit geleistet hatten, als sie das Land eroberten, die meisten indigenen Völker abschlachteten und die Übrigen unterwarfen. Die 40 Prozent der Argentinier, die auch in Bariloche unter der Armutsgrenze leben und größtenteils von den Menschen abstammen, die das Land ursprünglich mal bevölkerten, waren auf dem Fest nicht zu sehen. Es kostete 20 Peso Eintritt. 5 Euro.

Donnerstag, 12. Juli 2007

Smalltalk

Schon bei unserer Ankunft in Buenos Aires durften wir erleben, dass die Argentinier sympathisch und kontaktfreudig sind. Viele erkundigten sich beim Anblick unserer kommunikativen Hilflosigkeit nach unserer Herkunft. Und nicht selten wurden wir in ein Gespräch verwickelt, bei dem unser Gegenüber stolz erwähnte, deutsche Verwandte oder Bekannte zu haben, die Oma, der Bruder oder der Onkel lebe im Allgäu oder in Hamburg und mit nicht weniger Stolz präsentierte man sogleich den Familiennamen, dessen deutschsprachiger Ursprung nicht zu verbergen ist („Schuhmann“, „Peters“). So auch kürzlich in unserem vertrauten Lebensmittelladen. Bei der Bestellung einiger empanadas fragte mich der junge Mann hinter der Feinkosttheke die inzwischen vertraute Frage: „De donde son?“ (Woher kommt ihr?). Dann erzählte er mir, dass sein bester Freund in Aachen wohne, worauf ich direkt entgegnen konnte, dass ich dort während meines Studiums gewohnt hatte. Ich wurde informiert, dass sein Freund dort ein argentinisches Steak-Restaurant (La Pampa) besäße. Gedankenverloren schaute ich in die Luft, um vor meinem geistigen Auge ganz Aachen nach einem argentinischen Restaurant abzusuchen… In diesem Augenblick schaltete sich die Dame hinter mir ein und entgegnete, das „La Pampa“ wäre doch in Mönchengladbach, worauf ich mein geistiges Auge vertröstete und wieder in die Realität blickte, um erneut erstaunt zu bemerken, dass ich in Mönchengladbach aufgewachsen sei. Die Dame war die Mutter, Tante, Oma des Besitzers des "La Pampa" in Mönchengladbach und verriet uns sogleich ihren Namen, ihre Adresse und fragte uns nach der unsrigen Identität. So war in einigen Augenblicken ein neuer Kontakt gelegt, einerseits zu Tomás, ab jetzt der Feinkosthändler unseres Vertrauens und andererseits zu der Mutter, Oma oder Tante des Fast-Mönchengladbachers Tomás K. (ein anderer Tomás). Solche und viele andere Wortwechsel kann man hier erleben. So wurden wir am Strand von Vaeria del Mar (siehe Post vom 8. April) unter zahlreichen Touristen von dem 94jährigen irischstämmigen Kenny und seiner nicht weniger jüngeren Frau Laura angesprochen: „Ustedes son turistas, verdad?“ mit dem Ende vom (mindestens 30 Minuten langen) Lied, dass wir nun ihre Adresse in unserem Wörterbuch stehen haben. (Hinterher half mir Laura übrigens noch beim Kauf eines Sonnenschirms). Oder die Dame im Bus, die uns begrüßte wie alte Bekannte (hier gleich in der Übersetzung): „Wir kennen uns doch aus dem Restaurant. Ich saß mit meiner Tochter gegenüber von Euch…“ Oder im Baumarkt die Dame an der Kasse: „Du bist keine Argentinierin, oder?“

Keine Ahnung woher die Argentinier ihren ach so arroganten Ruf haben. Wir begegnen hier tagtäglich freundlicher Plauderlust ohne jeglichen Beigeschmack von Überheblichkeit oder Penetranz. Die Leute sind charmant und offen und man gewinnt den Eindruck, dass die Leute hier einfach nur neugierig, interessiert und anderen Ländern und Kulturen positiv zugewandt sind .