Mittwoch, 10. September 2008

Salinas Grandes

Durch einen unglücklichen Zufall kamen wir während unseres Urlaubs in den Genuss, die Salinas Grandes del Noroeste, eine große Salzwüste, etwas intensiver zu erleben als der normale Tourist. Hier die Auszüge aus unserem Logbuch.

Von Purmamarca (2.206 Meter ü. d. M.) führt uns gegen 9 Uhr morgens eine abenteuerlicher Pass hoch auf 4170 Meter. Dort oben ist es trotz strahlender Sonne eiskalt. Eigentlich wollten wir nur kurz aussteigen, um Beweisfotos dafür zu machen, der Sonne jemals so nah gekommen zu sein. Wir entdecken jedoch, dass wir hier oben nicht die Einzigen sind. Eine Frau steht vor einer Auswahl indianischer Kunstgegenstände, die sie wohl schon vor einer Weile vor sich ausgebreitet haben muss. Bekleidet mit einem Hut, Tuch und Sommerjäckchen kann man sich kaum vorstellen, dass sie hier schon länger steht und noch lebt. Wir bekommen auf unsere Fragen nur zurückhaltend knappe Antworten, ein Gespräch kann man das nicht nennen. Nach diesem Steno-Frage-Antwort-Spiel wissen wir jedoch, dass die Dame zwei Wochen dort oben an selber Stelle haust. Dann wird sie abgelöst von ihren Kolleginnen, die zurzeit noch einige hundert Kilometer entfernt weitere Kunstgegenstände anfertigen. Auf die Frage, ob es nachts nicht fürchterlich kalt werde, hört man nur ein zaghaftes, kaum hörbares "Si", mehr nicht – scheinbar wohlweislich ihres Schicksal bewusst, jedoch genügsam akzeptierend. Bei ihr kaufen wir einige Dinge, ganz egal wie touristisch das sein mag, die Frau soll bei ihrem nächsten Einsatz eine wärmere Jacke tragen. Bevor wir wieder ins Auto steigen, hören wir ein paar spielende Kinder. Unsere Augen entdecken hinter einem aus Steinen aufgebauten Windschutz ein Zelt, in dem die gute Frau scheinbar noch ihre Familie untergebracht hat. Auf unserer Weiterfahrt denke ich an all die warmen Sachen, die ich der Frau hätte geben können, hätte ich sie nur mit ins Gepäck gestopft: Einen ausrangierten Schlafsack, einen alten Wintermantel, ein paar dicke Socken ...

Bald erschließt sich uns die Hochebene Argentiniens, Puna genannt, in ihrer eindrucksvollen Weite und Leere. Immer noch befinden wir uns auf knapp 4000 Meter über Null, was jedoch merkwürdig erscheint, kein Hügel, keine Täler weit und breit ... nur plattes Land und ein paar Berge in weiter Ferne. Ein Stückchen weiter erreichen wir die Salinas Grandes del Noroeste, eine 12.000 Hektar große Salzwüste, in der rund 60 Salineros in einer Salzkooperative arbeiten. Es sind alles Quechua, Nachfahren der Inka. Es heißt, wer als Salinero geboren wird, der stirbt auch als Salinero. Das scheint ein hartes Schicksal zu sein - der Sonne, dem Wind, der Höhe und dem Salz fast schutzlos ausgesetzt, verrichten sie ihr Tagewerk. Dabei ist es nur eine Frage der Zeit, wann die Augen, die Haut und die Lungen um Hilfe rufen. Der Lohn ist schlecht, für fünf Tonnen Salz bekommt man 60 Peso (etwa 13 Euro).

Bei unserem Besuch in der Salinas Grandes gehen wir zunächst zurückhaltend und vorsichtig vor, wir bleiben immer schön am Rande, trauen uns nicht weit vor. Dennoch genießen wir das tolle Wetter, die Farben und die klare Luft, mittlerweile ist es auch nicht mehr so kalt. Auf unserer Weiterfahrt Richtung San Antonio de los Cobres werden wir Mitten im Nirgendwo von zwei jungen Quechuas angehalten, die uns warme Socken und Handschuhe verkaufen wollen. Leider beachten wir den heranbrausenden riesigen Lastwagen gar nicht, als jedoch ein mittelgroßer Stein mit einem riesengroßen Knall die komplette Heckscheibe des Mietwagens zerschlägt, wissen wir, dass der Ratschlag der beiden Frauen, weiter seitlich der Straße zu halten, kein Verkaufstrick sondern ein guter Hinweis war. Wir verbringen noch einige Zeit dort, ein paar Kinder kommen dazu, alle packen an, um die Scherben aufzusammeln und das Heck notdürftig zu verkleben. Zum Dank verschenken wir all unser Tagesproviant. Damit steht das Etappenziel dieses Tages fest: Zurück zur Autovermietung nach Salta ... Doch zunächst heißt es für uns, die Spur des LKW aufzunehmen, den die Frauen in der Salina wähnen und die Verfolgung zu starten. Gesucht wird ein großer roter Lastwagen, irgendsoeiner mit Plane. Irgendwo zwischen hier und da, dahinten in der weißen Wüste. Der erste Verdächtige hat ein Alibi, seit Tagen steht er schon mit Motorschaden bei dem kleinen Stützpunkt am Rande des Salzsees. Doch die drei Mechaniker vor Ort liefern weitere entscheidende Hinweise, der Gesuchte ist in die Salina gefahren und lädt frisches Salz. Der Weg ist einfach: Immer geradeaus den beiden Fahrrinnen nach bis dahinten, wo es rot schimmert. Die Fahrt über die Wüste ist ein Erlebnis, Marc fühlt sich wie auf einer Testtrecke in der Great Salt Lake Desert. Am LKW angekommen treffen wir auf drei zunächst mürrische Typen, es dauert etwas, bis wir unser Anliegen verständlich machen, die beiden Indios verstehen wir kaum. Es bedarf daher keiner großen Anstrengung, den LKW-Fahrer zu entlarven, denn er ist der einzige Weiße hier oben. Und er ist geständig, händigt uns ohne Zögern seine Versicherungspapiere aus, "Ningun problema, reine Formsache", meint er. Nachdem das "Salz" gebrochen ist, kommen wir ins Gespräch. Er heißt Antonio und ist eigentlich Spanier, seit seinem fünften Lebensjahr aber Mendoziner, zwischendurch hat er sogar ein paar Jahre in Spanien gearbeitet, aber das Leben gefällt ihm hier in Argentinien wesentlich besser, auch wenn wir uns über die Regierung schnell einig sind - eine Katastrophe. Dann erklärt er uns, wie das Salz abgebaut wird, wofür es verwendet wird und dass man im Sommer während der Regenzeit von November bis Ende Februar kein Salz abbauen kann, denn dann steht die ganze Wüste kniehoch unter Wasser. Gut, dass wir im Winter da waren.

Später in Salta kassiert Europcar den Schaden wegen der hohen Selbstbeteiligung natürlich dirket bei uns, die machen sich selbstverständlich nicht die Arbeit, die Versicherung zu bemühen, obwohl wir bei der Polizei einen Bericht eingeholt, alle nötigen Papiere beisammen haben und in Argentinien wohnen. Für die "Original-VW-Heckscheibe" knöpfen uns die Gauner fette 170 Euro ab, inklusive Touristenaufschlag, wir fühlen uns echt abgezockt, aber das ist hier leider nichts seltenes, denn die Regierung macht es den Menschen so vor.

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