Donnerstag, 28. August 2008

MAAM

Das Urteil unserer Reiseführer über die Museen Argentiniens ist ernüchternd. Meist mangele es an einer Struktur und logischer Anordnung, sodass ein Besucher zwar schöne Dinge zu sehen bekomme, diese seien jedoch meist aus dem Kontext gerissen und bar jeder Erklärung.

Das Museo de Arqueología de Alta Montaña (MAAM), das Museum für Hochgebirgsarchäologie, mitten in der Innenstadt Saltas, direkt an der Plaza 9 de Julio, stellt diesbezüglich jedoch eine Ausnahme dar. Es beinhaltet eine eindrucksvolle Sammlung über die Kultur der Inkas in Südamerika und zeigt viele archäologische Fundstücke aus dieser Zeit. Höhepunkt bilden die Niños de Llullaillaco, die Kinder des Llullaillaco, dem dritthöchsten Vulkan der Erde (6739 m), gelegen in den Anden zwischen Argentinien und Chile.

Berge hatten in der Inkawelt eine große Bedeutung und galten stets als Verbindung zwischen der Erde (
Patchamama = Mutter Erde) und den Göttern im Himmel. Um diese zu besänftigen und gut zu stimmen, wurden ihnen während des Qhapaqhucha-Festes ganz besondere Opfer dargeboten: Aus allen Ecken des Inka-Reichs, welches die Inka selbst Tawantinsuyu (Land der vier Teile) bezeichneten, prozessierten zu dieser Zeit ausgewählte Mitglieder der einzelnen Siedlungen nach Cuzco, dem kulturellen und auch geografischen Zentrum von Tawantinsuyu. Unter den Auserwählten waren Priester und andere Würdenträger sowie herausragend schöne (perfekte) Kinder, gesund und in sehr guter körperlicher Verfassung (Für die Götter nur das Beste). In Cuzco angekommen zelebrierte man sodann verschiedenste Rituale, opferte Tiere (z. B. Lamas), um anschließend auf einer Art Pilgerweg die Rückreise anzutreten. Wieder in den beheimateten Siedlungen angekommen, wurden die Pilger mit großer Freude empfangen, was Rituale mit weiteren Opferdarbringungen nach sich zog. Diesmal handelte es sich jedoch nicht um Tiere: Bei rhytmischen Gesängen wurden die auserwählten Kinder mit den besten und edelsten Kleidern angezogen, ihnen wurden die Haare geflochten und Chicha (Maisbier) zu trinken gegeben. Sobald der Alkohol sie genügend betäubt und berauscht hatte, wurden sie zusammen mit einer reichhaltigen und wertvollen Mitgift hoch oben in den Gipfeln der Anden begraben. In ihrem Glauben nahmen die Inka an, dass die Kinder ohne zu sterben ins Reich der Götter aufgenommen werden, um diesen dann die Geschenke bringen zu könenn, um sie damit bei Laune zu halten.

So fand im Jahr 1999 eine Expedition der National Geographic Society im Eis des Llullaillaco die Mumien dreier Kinder im Alter zwischen sechs und 15 Jahren. Zwei der Körper sind derzeit im hiesigen Museum zu bestaunen. Vorher jedoch durchläuft der Besucher einige Ausstellungsräume, in denen er ausführlich und anschaulich über die Kultur der Inka sowie die Geschichte der Hochgebirgsarchäologie informiert wird. Kommt man schließlich in den Saal der Mumien, verperrt zunächst eine spanische Wand die weitere Sicht. Ein Schild weist auf das nun Folgende hin, um sich bei denjenigen, die aus emotionalen, ethischen oder moralischen Gründen die Mumien nicht sehen möchten, zu verabschieden und herzlichst für ihr Interesse zu bedanken.

Unser Interesse jedoch reicht über die spanische Wand hinaus, und so erleben wir den unbeschreiblichen Anblick eines 500 Jahre alten Körpers eines Kindes, das aussieht, als ob es gerade eben erst eingeschlafen ist. Ehrfürchtig und wortkarg verlassen wir das Museum. Wer Lust hat kann hier und hier einen kleinen Eindruck bekommen. Bei Youtube kann man sich einen kleinen unscharfen Film über das Museum anschauen. Deutsche Artikel findet ihr hier und hier.

Anmerkung: Es herrscht Uneinigkeit darüber, wie die Kinder letztendlich gestorben sind. Entgegen der Museumsversion wird in anderen Berichten behauptet, sie seien schon vor ihrem Begräbnis z. B. durch Erwürgen oder Erschlagen gestorben.

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