Samstag, 15. November 2008

Hilfe für die Guaraní

Eine kleine Hoffnung gibt es für die Guaranís: Ein Ehepaar aus dem Saarland gründete Mitte der 1990er Jahre die so genannte Guaraní-Hilfe e.V. und leistet seitdem Unvorstellbares. Ihr Ziel ist es, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, damit die Guaraní lernen sich in der veränderten Umgebung zurecht zu finden, Alternativen zu finden, überleben zu können. Trotz vieler Hindernisse und Rückschläge sind sie bis heute nicht müde geworden, ihre ganze Kraft und Zeit in die Verbesserung der Lebensbedingungen der Guaraní zu widmen und sich für deren Rechte einzusetzen, denn „schließlich sind wir, die Mitglieder der Konsumgesellschaft, ja für die Zerstörung ihrer Lebensgrundlage mitverantwortlich“, meint der Vorsitzende. Eigentlich wollte ich nur einen Koffer Kleider abgeben, weil ich durch Telefonate mit dem Ehepaar über die Not und die Problematik erfahren hatte. Durch einen Zufall ergab sich aber dann ein Zusammentreffen mit dem Vereinsgründer, der einen Tag zuvor aus Deutschland angereist war, um einige wichtige Dinge vor Ort voranzutreiben.

So ergab sich für mich die einmalige Möglichkeit mit ihm und Estela, die vor Ort immer erste Ansprechpartnerin ist, in die Siedlungen zu fahren, die sonst für mich niemals zu erreichen gewesen wären. Wir fuhren von der Stadt etwa eine Stunde tief in das Land hinein. Von Wald kann zwar durch die vielen Rodungen nicht mehr gesprochen werden, dennoch bekam ich zum ersten Mal einen Eindruck, wie wohl ein Regenwald aussieht. Das Grün, was ich hier zu sehen bekam, beeindruckte mich sehr. Die Farben schienen intensiver und viel satter, das Grün der Bäume und das Rot der Erde ergaben einen starken Kontrast, andere Farben schienen fast nicht vorhanden zu sein. Auch wenn ich die ganze Fahrt auf der Ladefläche eines Geländewagens sitzend jede kleinste Wurzel, jedes Steinchen und jede Pfütze zu spüren bekam, war die Fahrt für mich ein Erlebnis. Wir besuchten insgesamt drei Guaraní-Siedlungen, meist einfache Hütten aus Naturmaterialien. Man erklärte mir, dass es zurzeit schwierig sei, neue Hütten zu errichten, da die für den Bau nötige Bambusart alle 32 Jahre stirbt, was kürzlich der Fall war. Bis neues Baumaterial heranwächst, dauert es einige Jahre. Den Guaraní, die ich getroffen habe, geht es verhältnismäßig gut, denn hier hat sich dank der Guaraní-Hilfe so einiges getan: In fast allen Siedlungen stehen Waschhäuser und Toiletten zur Verfügung. Die Kinder haben die Möglichkeit zumindest eine Grundschule zu besuchen, was aber mit langen Schulwegen verbunden ist. Dort stehen neben zwei Klassenzimmern auch ein Speisesaal und einige Werkstätten zur Verfügung. In einem Dorf gibt es eine Destillationsanlage zur Herstellung von ätherischen Ölen, die verkauft werden. Eine Schreinerei wurde errichtet, zurzeit läuft die Ausbildung und Unterweisung im Umgang mit den Maschinen. Es gibt eine Nähwerkstatt, in der Altkleider ausgebessert werden, einen Medizinalgarten und ein Erste-Hilfe-Haus. Darüber hinaus wurde in der Stadt ein Internat errichtet, das den Kindern den Besuch der weiterführenden Schule ermöglicht. Wenn die Wetter- und die Straßenlage es erlaubt, fahren sie am Wochenende zurück in ihre Siedlungen.

Der Spagat zwischen dem Kulturerhalt und den nötigen Anpassungen an die neuen Bedingungen ist nicht einfach. So ziehen es einige Kinder im Internat vor, nicht auf Matratzen zu schlafen (das sei nur etwas, wenn es wirklich kalt ist), manchmal gibt es Schwierigkeiten sich an gewisse Regeln zu halten. Es gibt eine Fülle von einzelnen Projekten und Vorhaben, die auf der vereinseigenen Homepage beschrieben werden. Zusammenfassend kann man sagen, dass bisher Unglaubliches geschaffen wurde, um dem Volk der Guaraní eine neue Lebensgrundlage bieten zu können, die darauf ausgerichtet ist, unabhängig und selbständig zu sein. Daher wurde man während dieses Tages auch nicht müde zu betonen, dass den Guaraní nichts geschenkt werde, ihnen werde lediglich die notwendige Infrastruktur zur Verfügung gestellt und Unterricht erteilt, um nachhaltig für sich sorgen zu können. Almosen und Schenkungen gäbe es nicht, Alles, was man zusätzlich braucht (Kleidung, Nahrung etc.) muss abgekauft werden. Auch wenn es Materialspenden gibt, wie zum Beispiel meinen Koffer voller Altkleider, so werden diese nicht einfach unter dem Volk verteilt, sie werden gegen ein entsprechendes Entgelt abgegeben. Geld erhalten sie durch den eigenen Anbau von Tee, die Gewinnung von ätherischen Ölen und in Zukunft auch durch die eigene Schreinerei. Darüber hinaus sind die Guaraní künstlerisch und handwerklich sehr begabt und verkaufen schöne Kunstgegenstände.

Für mich hat diese Reise in eine andere Welt einen bleibenden Eindruck hinterlassen, und meine Hochachtung gilt dem Ehepaar Hartmann, das bisher große Dinge erreicht hat. All die realisierten Projekte entstanden allein durch diese Privatinitiative, was ich beachtlich finde. Leider erreicht das Ehepaar mit ihren Bemühungen nur einen kleinen Teil der indigenen Bevölkerung, fünf bis zehn Prozent schätzungsweise. Wie es dem Rest ergeht, ist gar nicht auszudenken. Von daher kann ich die Guaraní-Hilfe jedem empfehlen, der den ein oder anderen Groschen locker sitzen hat und Gutes tun will. Ich werde es tun. Das Geld ist garantiert in guten Händen und kann Großes bewirken, das durfte ich mit eigenen Augen erleben. Noch viel mehr Informationen gibt es auf der Seite der Guaraní-Hilfe e.v., zum Beispiel den ausführlichen Bericht „Die Guaraní, das vergessene Volk Argentiniens“.

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