Dienstag, 18. Dezember 2007

Zwischenbericht nach einem Jahr

Hier läuft so manches Guanako wirklich anders als in Deutschland und so musste ich mich natürlich an viele Sachen gewöhnen, aber auch mit vielen Sachen abfinden, an die ich mich eigentlich nicht gewöhnen möchte. Das Verhalten der Schüler im Unterricht etwa, die Lern- und Arbeitseinstellung, was die argentinischen Schüler eben so ausmacht. Solche Disziplinprobleme wie hier kenne ich aus deutschen Gymnasien nicht, da muss ich mir echt noch was einfallen lassen oder noch ein dickeres Fell zulegen. Allerdings handelt es sich ja auch nicht um ein Gymnasium, da es in Argentinien keine verschiedenen Schultypen gibt, sondern nur schlechte staatliche und etwas bessere private Schulen. Eine von den etwas besseren Privatschulen ist die Deutsche Schule in Bariloche - die vor Ort zu den Top Drei gezählt wird -, was aber lange nicht bedeutet, dass hier gute Schüler zu finden sind. Die Schülerschaft kommt für hiesige Verhältnisse aus der Mittel- und Oberschicht, nicht wenige Familien müssen für die Schulgebühren hart arbeiten, viele haben aber für argentinische Verhältnisse einfach nur unverschämt viel Geld. Ihre Kinder sind kurioserweise (oder deswegen?) oft verwöhnt und wenig leistungsorientiert, pflichtvergessen und gedankenlos, frech und distanzlos. Die Arbeits- und Lernatmosphäre wird deshalb trotz relativ geringer Schülerzahlen (max. 20 in den Deutschgruppen) durch Disziplinlosigkeit, Konzentrationsmangel und Nachlässigkeit erheblich gestört. (Nobody said it would be easy...)

Na ja, die Wertigkeit des Faches Deutsch sinkt sowieso. Viele Eltern melden ihre Kinder nicht wegen des Faches Deutsch, sondern wegen des gegenüber den staatlichen Schulen höheren Niveaus in den übrigen Fächern auf der „Deutschen Schule Bariloche“ an. (In Konkurrenz stehen eine argentinische und die italienische und englische Privatschule.) Die Schüler nehmen das Fach Deutsch oft als nötiges Übel in Kauf, die Motivation und Affinität dem Fach gegenüber ist dementsprechend gering. Der Anteil deutschsprachiger Schüler (bzw. mit deutschsprachigem Hintergrund) sinkt seit Jahren und liegt bei etwa 5 %, also ein bis zwei Schüler pro Klasse; selbst in deutschstämmigen Familien wird leider kaum noch Deutsch gesprochen.

Dazu kommt, dass Bariloche aufgrund seiner Vergangenheit ein ganz eigenwilliges Pflaster ist, hier wird gerne totgeschwiegen, dass Priebke Vorstandsvorsitzender des Schulvereins war... und leider sitzen im Vorstand noch so ein paar alte verbohrte Köpfe, die wirkliche Innovationen verhindern oder keine Notwendigkeit für Image-Kampagnen sehen. Aber mal sehen, was sich da noch machen lässt, mit der bornierten, inkompetenten Schulleiterin hab ich mich ja auch schon angelegt ;-)

Für mich als Anfänger war es also ein ziemlich schwieriges Jahr: einen Deutsch-Lehrplan gibt es nicht, weder vom Staat (claro que no!) noch schulintern (ein wirklicher Kritikpunkt), und so musste ich mir vieles zusammenreimen. Und dann hatte ich gleich mal 3 Prüfungsklassen (ZDP-G, DSD I und II), die Ergenisse sind durchwachsen: 85 % meiner ZDP-Schüler haben bestanden (6. Klasse), aber 37 % der DSD II-Gruppe (12. Klasse), was den anderen Lehrern zufolge aber nicht an mir gelegen habe. Ach und überhaupt das ganze System hier: hab zwar DaF "studiert" und war ja sogar für ein DaF-Praktikum in der Ukraine, aber auf diese Schüler hat mich das alles nicht vorbereitet ...

So, genug gemeckert, Basti, ich hoffe, das waren jetzt "wahre Gedanken" genug ;-) Ich wünsche allen da draußen ein gutes neues Jahr! Ach ja, und frohe Weihnachten, das kriegt man hier bei rund 20 Grad, fehlendem Advent und fehlender bunter Straßenbeleuchtung nicht so richtig mit.

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